Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung werden in allen Lebensbereichen immer wichtiger.

 

In Aschersleben, der ältesten Stadt Sachsen-Anhalts, sind die Ressourcenschonung und damit auch die Nachhaltigkeit bereits fest mit der Stadtentwicklung verbunden. Historische Gebäude, die z. T. vor mehreren hundert Jahren erbaut wurden, werden auch heute noch weiter genutzt und durch Um- und Ausbau an moderne Ansprüche angepasst. Dabei kommen nicht selten auch wieder historische Baumaterialien und natürliche Baustoffe zum Einsatz. Die in der historischen Bausubstanz gespeicherte sog. „Graue Energie“, die einst für die Gewinnung der Materialien und die Herstellung sowie Verarbeitung von Bauteilen aufgewendet wurde, kann dadurch weiter genutzt werden. Durch die Vermeidung der Entsorgung wird zusätzlich neue Energie eingespart.

 

Ähnliches gilt für die Neugestaltung von Straßen und Plätzen in der historischen Altstadt. Hier werden – wenn möglich – wiederverwendbare Natursteine geborgen und in Abhängigkeit von der künftigen Nutzung und Ansprüchen an die Oberflächenbeschaffenheit wieder verwendet und durch neue Natursteine ergänzt.

 

Diese Grundsätze sind wichtig, reichen jedoch künftig nicht mehr aus. Das Prinzip der Kreislaufwirtschaft muss auf möglichst viele Lebensbereiche ausgedehnt werden und auch im Baubereich in noch stärkerem Umfang zur Anwendung kommen. Denn momentan basiert das wirtschaftliche Produktionssystem auf einem linearen Prinzip, d. h. am Ende der Nutzung landet das Produkt auf dem Müll.

 

Als richtungsweisend gilt momentan daher das sog. Cradle-to-Cradle-Prinzip, übersetzt: „Von der Wiege zur Wiege“. Danach sollen alle Stoffe in gleicher oder angepasster Form wiederverwendet werden, sodass keine Abfälle entstehen. Gedacht wird in zwei Kreisläufen: Zum einen gibt es die Biosphäre, in der natürliche Rohstoffe nach ihrer Nutzung durch Kompostierung dem Kreislauf wieder zugeführt werden. Zum anderen gibt es die sog. Technosphäre, in der Gebrauchsgüter nach ihrer Nutzung durch chemische oder mechanische Prozesse derart aufbereitet werden, dass sie in gleicher oder anderer Form wieder genutzt werden können. Die thermische Verwertung, z. B. als Müllverbrennung, zählt nicht zu dieser Kreislaufform. Wichtig ist auch, dass die beiden Kreisläufe strikt voneinander zu trennen sind. Es müssen in sich geschlossene Prozesse sein, ohne Vermischung der Rohstoffe. Das Cradle-to-Cradle-Prinzip (C2C) schließt dabei auch die umweltfreundliche Produktion und die Nutzung von erneuerbaren Energien mit ein.

 

Aschersleben hat sich zum Ziel gesetzt, mit zu den Vorreitern dieses Prinzips zu werden und ein neues Leitbild für die Stadt daraus zu entwickeln.

 

Hierfür gibt es auch in Aschersleben bereits die ersten innovativen Ansätze.

1.      Die mutwillig zerstörte Kletterorange im Bestehornpark soll als „Orange 2.0“ in veränderter Form nach dem C2C-Prinzip wieder aufgestellt werden.

2.      Auf dem städtischen Friedhof soll künftig als natürliche und CO2-neutrale Bestattungsform die „Reerdigung“ angeboten werden (siehe hierzu Vorlage: VII/0359/21, Stadtratsbeschluss vom 01.12.2021)

3.      Bei Neubau- und Sanierungsmaßnahmen sollen einerseits zunehmend Baustoffe verwendet werden, die eine C2C-Zertifizierung aufweisen und zum anderen umweltfreundliche Energieträger für eine dezentrale Elektro- und Wärmeversorgung zum Einsatz kommen. Die Verwendung sortenreiner Materialien anstelle von Verbundstoffen gehört ebenfalls dazu. Beispiele hierfür sind die geplanten und zum Teil schon in Umsetzung befindlichen energieautarken Wohnhäuser der AGW mbH.

4.      Die Produktion und Wiederverwendung nachhaltiger Rohstoffe: Als zentraler Ausgangspunkt in Aschersleben wird die Neugründung der Firma NOVO-TECH Circular GmbH & Co. KG angesehen. Rund um dieses Unternehmen sollen gezielt Ansiedlungen weiterer Firmen erfolgen, die sich ebenfalls mit der Kreislaufwirtschaft beschäftigen. Die Investorenakquise in Aschersleben soll sich daher schwerpunktmäßig auf Ansiedlungen, die das C2C-Prinzip umsetzen bzw. auf dem Weg dazu sind, konzentrieren. Geeigneten Unternehmen soll der Vorzug gegeben werden. Synergieeffekte sollen genutzt werden und das Profil Ascherslebens als nachhaltiger Wirtschaftsstandort soll gestärkt werden.

5.      Umsetzung nachhaltiger Energiekonzepte: Nutzung erneuerbarer Energien aus Sonne und Wind mit innovativen Technologien zur Wärmeversorgung.

6.      Ressourcenschonung im Bereich des Abwassers: Auch hier gibt es bereits verschiedene innovative Ansätze, angefangen mit einer PV-Anlage zur (anteiligen) Eigenversorgung der Kläranlage mit Strom aus erneuerbaren Energien über die künftige Verwendung von C2C-zertifizierten Kanalrohrsystemen bis hin zur Aufbereitung des anfallenden Klärschlamms zur Düngemittelherstellung und zur Phosphorgewinnung als einen wichtigen (knappen) Rohstoff.

 

Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Möglichkeiten, wie sich Bürgerinnen und Bürger der Stadt, Unternehmen und Verwaltungen aktiv an der Transformation zu einer nachhaltigen Stadt der Zukunft beteiligen können.

 

Insbesondere die städtischen Unternehmen sollen beim Schwerpunkt Energiewirtschaft gemeinsam eine Vorreiterrolle einnehmen und in Zusammenarbeit mit der Stadt, dem Landkreis, dem Land und dem Bund das gesetzliche Ziel umsetzen, bis 2045 klimaneutral zu sein. Dazu ist die gesamte Energieerzeugung auf Grüne Energie umzustellen.

 

Um „Cradle to Cradle“ als neues Leitbild und Alleinstellungsmerkmal der Stadt Aschersleben zu etablieren, ist es aber genauso wichtig, innerhalb der Unternehmen und Verwaltungen anzusetzen. Dazu sind die Beschäftigten von Anfang an einzubeziehen und schrittweise die Arbeitsumgebung zu verbessern (nachhaltige Büroausstattung und Arbeitsmaterialien, weiteres Vorantreiben der Digitalisierung), damit die Nachhaltigkeit im Arbeitsprozess auch gelebt werden kann. Die praktische Anwendung ist die beste Werbung und Ausgangsbasis für die Verbreitung des Prinzips in der Gesellschaft.

 

Um für all die kleinen und große Schritte zum gemeinsamen Ziel professionelle und individuelle Unterstützung zu erhalten, allen Interessierten entsprechende Informationen und Arbeitshilfen zur Verfügung stellen zu können und von bereits geplanten und umgesetzten Projekten („Best Practice“) lernen zu können, schlägt die Verwaltung vor, dem bestehenden „Netzwerk C2C Regionen“ beizutreten.

 

Hinter dem Netzwerk steht der Verein „Cradle to Cradle – Wiege zur Wiege e.V.“ mit Sitz in Berlin, vertreten durch den Vorstand Tim Janßen und Nora Sophie Griefahn.

 

Laut Aussagen des Vereins bringt die Mitgliedschaft folgende Vorteile: „Als Teil des Netzwerk C2C Regionen wirken Sie aktiv und unmittelbar an der Transformation ihrer Kommune mit. C2C Städte und Kommunen prägen florierende, lebenswerte und widerstandsfähige Regionen. Ihre innovative und kreative Herangehensweise sorgt für ein gesundes Wirtschaftswachstum, für die Unabhängigkeit von Rohstoffen und die Zufriedenheit ihrer Einwohner/innen.

Das Netzwerk C2C Regionen verbindet die vielen Interessen der Mitwirkenden und lässt sie mit einer Stimme sprechen, um C2C-Transformation aus dem Lokalen in die Welt zu bringen.“

 

Das Netzwerk ist:

-        eine Austauschplattform für Expertise und Wissen

-        eine Bündelung von Positionen und Interessensvertretung („Eine Stimme, große Wirkung“)

-        Potenzial zur regionalen Vernetzung von Unternehmen, Organisationen und politischen Akteuren

 

Durch die Mitgliedschaft im Netzwerk erhält die Stadt Zugang zu einem internen Mitgliederbereich mit:

-        Qualifizierungsmöglichkeiten, die für Mitarbeiter/innen entwickelt werden

-        Events: regelmäßige Netzwerktreffen, mögliche Einbindung auf Veranstaltungen von C2C NGO, thematische Workshopreihen, Gesprächsrunden und Impulsvorträge für Netzwerkmitglieder, Rabatte auf weitere C2C-Formate (z.B. C2C Congress, Digital-Formate, Fachforen, individualisierte Workshops)

-        C2C-Handlungshilfen: Entwicklung und Bereitstellung von Publikationen & Dokumenten wie Leitfäden (etwa zur öffentlichen Beschaffung oder Bauen & Sanieren nach C2C-Kriterien, sowie von Anforderungsprofilen für C2C in verschiedenen Sektoren), Datensammlungen, Formulierungshilfen, Machbarkeitsstudien, Erstellung von Vorlagen, Bereitstellung von individuell aufbereiteten Informationsmaterialien für den Schulunterricht usw.

 

Weitere Informationen über das Netzwerk und die dahinterstehende Organisation („Cradle to Cradle NGO“) erhalten Sie in der Anlage und über die Internetseite: www.c2c.ngo

 

Der Mitgliedsbeitrag für die Stadt Aschersleben würde aktuell 1.300,- € pro Jahr (für Städte mit 20.000 bis 100.000 EW) betragen.

 


Beschlussvorschlag:

 

1.   Der Stadtrat beschließt den Beitritt der Stadt Aschersleben zum „Netzwerk C2C Regionen“, geleitet durch den Verein „Cradle to Cradle – Wiege zur Wiege e.V.“.          

2.   Der Oberbürgermeister wird ermächtigt, die hierfür notwendigen Schritte in die Wege zu leiten, Erklärungen abzugeben und Anträge zu stellen.